Schöne Bescherung!

Wem ist der Mensch, der keine Wünsche äußert, der keine Liebhabereien, keine Schwächen hat und der rein gar nichts hübsch und schick oder begehrenswert findet, derzeit kein Dorn im Auge? Denn der Geschenkmuffel, wie man ihn auch nennt, kann jedes Weihnachtsfest verderben. Man könnte weinen, wenn man sieht, wie viele Freuden er im Keim erstickt, wie er aus der Bescherung, die heiter, festlich und übermütig sein sollte, so oft etwas Peinliches und Gequältes macht.
Dabei beachtet niemand, dass er im süßen Spiel, das der Schenkende mit ihm spielen will, eine bei weitem undankbarere Rolle einnehmen muss. Denn wenn er das glatte, rätselhafte, wohlverschnürte Paket in die Hand gedrückt bekommt, fühlt er sich nicht  geschmeichelt und geliebt, sondern in irgendeinem Winkel seines Herzens leicht gedemütigt. - Er hat sich etwas schenken lassen! 
Gewiss, in jedem von uns liegt irgendwo etwas auf der Lauer, was sich gegen das Beschenktwerden heimlich wehrt; deswegen beantworten wir ja jedes Geschenk meist mit einem Gegengeschenk. 
Beim Geschenkmuffel ist dieses Gefühl jedoch viel ausgeprägter. Er spürt eine uneingestandene Reserve, ein leise gekränktes Misstrauen, eine Scheu davor, verpflichtet zu werden, eine Angst vor Dankbarkeit. 
Wenn er aber, wie mancher seiner Artgenossen, das Geschenk jetzt nicht unausgepackt zur Seite legt, sondern es zu entblättern beginnt, dann hat er bereits die erste Hürde genommen. Er lässt sich Zeit. Packt langsam aus... Ach, könnte er jetzt die Andeutungen und Anspielungen, verstehen, die mit dem Geschenk verbunden sind, und erfassen, worauf der andere hinauswill! 
Es erfordert großes schauspielerisches Talent bei all der Rätselhaftigkeit nun adäquat zu reagieren. Meist lächelt er, wie lang auch immer, um zu überspielen, dass er nichts mit dem Geschenk anzufangen weiß. Es folgen Sätze wie »Aber das kann ich gar nicht annehmen!« oder »Das wäre doch nicht nötig gewesen!« Manchmal heuchelt er auch Begeisterung vor, so als ob er den Sinn des Geschenks verstünde. Doch diese Begeisterung wird sofort entlarvt, wie die gespielte Freude in den unseligen Castingshows, wenn die ausscheidenden Kandidaten mit unterschwellig säuerlicher Miene die Ärmchen recken und in die Patschehändchen schlagen, weil nicht sie, sondern die anderen eine Runde weitergekommen sind.  
»Freust du dich wirklich?«, hört man den Schenkenden dann immer wieder fragen. - »Eine schöne Bescherung!«, könnte man dann antworten.
Eine Reminiszenz an Stefan Haffner

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