Die Versorgungslücke

Man lernt doch wirklich nie aus! Da lebt man jahrelang im schönen Mainz und glaubt zu wissen, an was es der Stadt mangelt, an Kultur, an Geld, an Kaufkraft der Bürger … Doch dann wird einem von den Stadtvätern unverhofft erklärt, dass es in Mainz auch einen Mangel an Möbelhäusern gebe, dass also eine echte Versorgungslücke im Einrichtungsbereich bestehe.
Hätten Sie das gewusst? - Nein!? Nun, das braucht Sie jetzt auch nicht mehr zu bekümmern, denn diese Lücke wird demnächst geschlossen. Gott sei Dank, wird man da jetzt sagen, bevor noch Schlimmeres geschieht. Ein Dank gebührt natürlich auch unseren Stadtvätern, die in weiser Voraussicht und vorauseilender Fürsorge diese Versorgungslücke mit der Ansiedlung des Möbelhauses Martin vor den Türen der Stadt gestopft haben. - Wobei von einer Lücke eigentlich gar keine Rede sein kann, wenn man an die Ausmaße denkt, die das neue Möbelhaus einnehmen soll, sondern von einem riesigen Versorgungs-Schlund, der sich über die Jahre gebildet haben muss. – Dass man das nicht früher bemerkt hat? – Mit einem Areal von 45.000 qm – das entspricht etwa 9 Fußballfeldern bzw. mehr als zwei Drittel der Verkaufsfläche der Innenstadt – soll das Möbelhaus Martin sogar Ikea in Wallau oder Mann Mobilia in Eschborn übertrumpfen. Ein gigantisches Projekt, das an den Turmbau von Babel erinnert. Nur wer Großes denkt, kommt hoch hinaus.
Was aber geschieht bei einer solcher Gigantomanie denn dann mit dem Einzelhandel in der Innenstadt, fragt man sich, wenn man sich frei nach dem berühmten Spruch des Lehrers Bömmel in der Feuerzangenbowle »ma janz dumm stellt«? Blutet die Innenstadt denn dann nicht aus? Werden die Käuferströme denn dann nicht abgezogen, was zur Qualitätsabnahme des innenstädtischen Warenangebots führt? Schon jetzt eröffnen vor allem Billigshops und - ketten ihre Filialen in der Innenstadt dicht an dicht. Ein Teufelskreis.
»Aber nein!«, erhält man dann von den Stadtvätern zur Antwort. »Es gibt nichts Besseres als Konkurrenz. Den gegen Mainz und den eigenen Einzelhandel gerichteten Wettbewerb nehmen wir auf.« Na, wenn das so ist! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Denn dieser Schlachtruf erinnert doch ein bisschen an das trojanische Pferd, wenn man bedenkt, dass man sich die Konkurrenz selbst ins Haus holt. Das Ende ist bekannt.
Aber lehnen wir uns zurück. Denn mit dem Möbelhaus soll, so sagen die Stadtväter, auch dem seit Jahren nachgewiesenen Kaufkraftverlust begegnet werden. Auch hier hat man wieder etwas Neues dazu gelernt, denn bislang dachte man, dass der Kaufkraftverlust aus dem Rückgang der privaten Einkommen resultiere und dass man dem Rückgang der Kaufkraft folglich nur durch eine Einkommenssteigerung begegnen könne. Aber weit gefehlt. Also brauchen wir nur genug Möbelhäuser vor Mainz zu bauen und alles wird gut!

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