Die Bretter, die die Welt bedeuten


»Brauchen wir eigentlich noch ein Theater?«, ist eine Frage, die in Zeiten knapper Kassen immer häufiger gestellt wird, meist von Menschen, die es noch niemals von innen gesehen haben, – sei es, dass sie sich nicht für das Theater interessieren oder sich vor dem Fernseher besser aufgehoben fühlen. Diese Frage wird aber auch von Menschen gestellt, die das Theater lieben, für die es aber zur Bedürfnisanstalt pensionierter Studienräte verkommen und im kulturellen Leben der Stadt nicht ausreichend verankert ist. Für Menschen also, die »die Bretter, die die Welt bedeuten«, längst anderswo gefunden haben, etwa in der freien Szene, wo sich Mainzer Regisseure, Mainzer Schauspieler und Mainzer Autoren zusammenfinden, um mit wenig Geld recht passable Projekte auf die Beine zustellen.
Dem Wunsch der zweiten Kritikergruppe nach stärkerer Einbindung des Theaters in das kulturelle Leben der Stadt versucht gerade ein gewagtes titelloses Theaterexperiment, ein Verwirrspiel, wenn man so will, nachzukommen, das sich in seiner postmodernen Ausrichtung an keine feststehenden historischen Formen halten will. – Dennoch fühlt man sich streckenweise an die Fastnachtsspiele eines Hans Sachs oder an Schwänke wie »Die Schildbürger« erinnert. – Aufführungszeiten und –orte dieses sich als Fortsetzungsgeschichte präsentierenden Experiments sind beliebig, nur die beiden Hauptfiguren stehen fest, der Oberbürgermeister und der Theatervereinsvorsitzende, beide glänzend gespielt von den Mainzern Jens Beutel und Wolfgang Litzenburger. Beide Darsteller füllen übrigens auch im wirklichen Leben diese Ämter aus. Und da beginnt auch schon das Verwirrspiel um Schein und Wirklichkeit. Im Mittelpunkt steht, wie bei jedem guten Stück, auch wenn es sich postmodern schilt, ein ausgewachsener Konflikt, der den einen als Verweigerer und den anderen als beleidigte Leberwurst dastehen lässt. Dabei geht es, wie es scheint, um nichts Geringeres als die Möblierung des Theaterfoyers, für die der Vereinsvorsitzende aus Vereinsmitteln eine erkleckliche Summe bereitstellen möchte, die der Oberbürgermeister aber mit dem Hinweis auf den Brandschutz ablehnt. Oder ist es doch ganz anders?
Die Handlung ist ebenso verwirrend wie fesselnd. Sie scheint für etwas anders zu stehen, etwas, das man vielleicht als Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom bezeichnen könnte. Oder geht es vielleicht doch nur wieder um die schnöde Macht? Denn der Vereinsvorsitzende ist in Personalunion auch der Ehemann der politischen Herausforderin des Bürgermeisters. Das Ende ist offen und das Mainzer Publikum gespannt.

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