... und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Mit Volksweisheiten ist das so eine Sache, wie man immer wieder feststellen muss. Mal treffen sie zu, mal wiederum nicht, obwohl sie in Zeiten des Wandels fortwährend als Orientierungshilfen angepriesen werden. 
Betrachten wir uns aus gegebenem Anlass einmal das Sprichwort »Aller Anfang ist schwer!« und gehen zurück zu den ersten Tagen des neuen Jahres. Wer in dieser vorsatzschwangeren Zeit in den Morgen- und Abendstunden am Rhein entlang flaniert, kann dort trotz Wind und Eiseskälte fast mehr Laufbegeisterte als im Sommer sehen. Umgekehrt verhält es sich in den Fastfoodrestaurants: eine gähnende Leere allüberall. Das liegt nicht etwa daran, dass die Menschen genug von den trägen, kalorienreichen Feiertagen haben, vielleicht auch das, sondern dass sie die hervorragende Gelegenheit des Jahreswechsels beim Schopfe gepackt haben, um ein neues Leben zu beginnen oder zumindest ein neues Vorhaben in Angriff zu nehmen. Und was hat man sich nicht alles vorgenommen: Man wird sich gesünder ernähren und abnehmen, Süßigkeiten meiden. Man wird mehr Sport treiben. Man wird häufiger ins Theater gehen, mehr lesen und es endlich ernst mit dem lebenslangen Lernen nehmen und eine neue Sprache lernen. Man wird sich mehr Zeit für die Familie, die Freunde gönnen etc. pp.
Sind diese Vorsätze auch noch so unterschiedlich, gemeinsam ist allen, dass ihr Anfang leicht ist, wie ein anderes Sprichwort besagt, und nicht schwer. Denn selbstverständlich wird am 2. Januar um 6 Uhr aufgestanden. Selbstverständlich wird erst einmal eine eiskalte Dusche genommen. Selbstverständlich joggt man nicht nur vom Kurfürstlichen Schloss bis zur Eisenbahnbrücke, sondern macht die berühmte Drei-Bücken-Tour und eine Umrundung von Stadt- und Volkspark gleich mit.
Ab dem 6. Januar gestattet man sich hin und wieder aber doch Dispens, indem man etwa eine Stunde länger schläft, weil man die Tage vorher doch so sportlich war. Oder man gönnt sich ein Frühstückshörnchen, weil es ja nicht unbedingt zu den Süßigkeiten zu zählen ist und weil man die Vorsätze bisher so vorbildlich eingehalten hat. Bald ist es wie bei einem porösen Luftballon, aus dem allmählich die Luft entweicht.
Was soll man nun glauben? Ist aller Anfang schwer oder leicht? Es scheint beides zu stimmen. Im Leben stimmen von zwei sich widersprechenden Weisheiten immer beide. Das macht es so entsetzlich kompliziert; zu kompliziert für den gesunden Menschenverstand. Machen wir es uns leichter, ziehen wir uns wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf und fangen ein neues Leben an …

Silvester-Voodoo


Halten Sie sich für ein vernunftbegabtes Wesen? - Ja?! - Aber warum huldigen Sie dann auf Schritt und Tritt dem Aberglauben? Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht mit abergläubischen Symbolen und Ritualen herumhantieren. So wünschen wir anderen ein gutes Gelingen und wollen gleichzeitig verhindern, dass Böses geschieht, indem wir etwa »die Daumen drücken«. Oder wir achten darauf, dass sich die Hände beim Händeschütteln niemals überkreuzen. Die Liste ist lang. Gewiss, wir gebrauchen diese – sagen wir mal – magischen Praktiken nicht immer ganz bewusst, sehr oft aber ohne ihren ursprünglichen Sinn zu kennen.
Ganz besonders wird dies um den Jahreswechsel deutlich. Wer weiß denn schon, warum wir in der Silvesternacht ein Feuerwerk aufsteigen lassen? Weil’s schön ist, wird man sagen. Oder um das neue Jahr mit etwas Buntem und Prächtigem einzuläuten. – Nicht ganz.
Den Sagen und Legenden nach treibt in den Raunächten zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag ein Geister- oder Gespensterheer sein Unwesen. Deshalb haben die Menschen sich etwas einfallen lassen, um diesen Gefahren zu begegnen und ihr Glück zu sichern. So darf man in dieser Zeit keine Wäsche auf der Leine haben, worin sich die Geister bei ihrem Ritt durch die Lüfte verfangen können, um Unheil über die Menschen zu bringen. – Gottlob gibt es mittlerweile Trockner! – Auf diesen Dämonenglauben gehen dann auch die Böller in der Silvesternacht zurück, weil man glaubte, die Geister durch Lärm und Krach vertreiben zu können. Das gilt übrigens auch für das Gläserklirren in den ersten Sekunden des neuen Jahres. In dieser Nacht verfügen auch wir Menschen über ganz besondere Gaben: Nur jetzt können wir hinter den Vorhang blicken, um Verborgenes zu enträtseln und Zukünftiges zu enthüllen. Da wird orakelt und gependelt. Besonders beliebt ist das Bleigießen. Und nicht zuletzt die Silvester- und Neujahrswünsche. Als ob man zaubern könnte. Hierzu gehören auch die zum Jahreswechsel üblichen Verhaltensrituale: Wer an Silvester rote Unterwäsche trägt, hat im folgenden Jahr ein ausgefülltes Liebesleben. Wer Reiskörner in den Geldbeutel streut, bekommt Geld. Die Beispiele lassen sich fortführen.
Ist das alles Hokuspokus? - Nein, nicht unbedingt! Denn bei diesen Praktiken handelt es sich meist um nichts anders als Varianten einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Die mit den Abwehr- und Verhaltensritualen verbundenen Wünsche und die Orakel erfüllen sich nur deshalb, weil sich diejenigen, denen sie gelten, meist unbewusst, so verhalten, dass sie sich erfüllen müssen. Der Glaube kann Berge versetzen. 
In diesem Sinne: Versenden Sie diese Glücks-Kolumne innerhalb der nächsten 3 Stunden an mindestens 10 Personen. Dann wird Ihnen das Glück im kommenden Jahr ganz sicher hold sein.