Mainz: Das rote Sofa, Joseph Trattner on Tour mit Hubert Neumann



Eine Stadt vom roten Sofa aus gesehen: Perspektivwechsel, skurrile Plätze und eigentümliche Begegnungen mit der Stadt und seinen Menschen.




Das verspricht ein Kunst-Happening, wenn der Wiener Künstler Josef Trattner mit seinem großen Schaumstoff-Quader anreist. In Mainz war unser Kolumnist und Autor Hubert Neumann mit von der Partie. Dessen Roman „Lusthängen" sorgte 2008 für Aufsehen und schaffte es in die Bestsellerlisten.



Vom Schaumstoff-Sofa, das später aussieht wie nachträglich hereinkopiert, ist Josef Trattner schon vor den Fotoshootings begeistert. „Denn es wirkt perfekt künstlich in seiner klaren Form", weiß er aus den Erfahrungen einiger solcher Städtetouren der Vergangenheit. Gemeinsam mit Autor Hubert Neumann trägt er das leichte und knuffige Sitz-Modell an die richtige Position im Container-Hafen, der ersten Station der städtischen Rundreise. Die richtige Position? Trattner steuert auf die Kaimauer zu und baut das Sofa direkt am äußersten Rand auf, Neumann hat keine Chance. Nur wenige Zentimeter Schaumstoff trennen ihn vom kalten Rheinwasser, etwa sechs Meter tiefer hinten unten. Doch es sitzt sich gut. Das Vertrauen in das Sofa spiegelt sich in den ersten Gesprächen mit Trattner wieder. Der plaudert mit charmantem wienerischen Einschlag von der Liebe zu seinem Material: dem Schaumstoff. Denn daraus schafft er große Gebilde und sorgt allenthalben für Verwirrung: Was soll zum Beispiel dieses Sofa, das so gar nicht hier hingehört? Darf ich Platz nehmen, es anfassen? Das Publikum, also zufällige Passanten, betrachten die „Sitzgewohnheiten" des 1955 in Wien geborenen Bildhauers argwöhnisch, belustigt und auch interessiert. So auch in Mainz. Ob in der Nähe des Bahnhofs, auf dem Rathausplateau, am Brandt oder dem Domplatz.


Perspektivwechsel. Manchmal sitzen Trattner und Neumann auf dem Sofa, dann wieder erzeugt ein darauf gestellter Spiegel für fantastische Variationen des Blickwinkels für den Betrachter. Spannend sind die Momente, wenn das Sofa abgestellt und „allein" gelassen wird. Ich finde die Frage spannend, was damit passiert: Wird darauf geliebt, gekifft oder diskutiert?", entfährt es dem Wiener, denn die Beteiligung von Passanten an der Skulptur ist erklärtes Ziel, erst dann findet der gewünschte Austausch und Aktion statt, wird die Skulptur zum abgeschlossenen Kunstwerk. Und hier wird Trattners nächstes Talent erlebbar: Seine kommunikative Ader und Entertain-Qualität. Drei junge Frauen lassen sich auf seine Anfrage auf das Experiment ein und auf das Sofa nieder. Es tut gar nicht weh. Nur das Geklicke der Fotokameras irritiert sie zunehmend. So im Fokus nehmen sie bald Reißaus.

Stadtschreiber Josef Haslinger vermittelte die Stadttour in Mainz. Eine Foto-Dokumentation des Happenings ist in der Galerie Mainzer Kunst zu sehen. Wer das Sofa on Tour zwischen Rathausdach und Stadion sehen möchte, sollte die visuelle Anregung auf dieser Seite als Vorgeschmack auf eine intensive Bilderreise in der Galerie nehmen.

Und Hubert Neumann? Der genoss schmunzelnd das „bewegte Sofaleben", die An- und Einsichten in Mainz. Als oft fotografiertes „Objekt der Begierde" tat er sich nicht immer leicht, da fehlte dann doch die Geduld und die Lust an der Extrovertiertheit mit der Person und nicht der Sprache im Mittelpunkt zu stehen. Kein wirkliches Dilemma. (Thomas Höpfner, Lokale Zeitung Mainz – www.lokalestadtausgabe.de)

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