Auf den ersten Blick erscheinen manche Dinge doch etwas anders, als sie wirklich sind. Zum Beispiel die Sache mit den Briefkästen in der Mainzer Innenstadt. Wer von uns ist in der letzten Zeit denn nicht wie immer brav zum öffentlichen Briefkasten gedackelt, um dann verwundert festzustellen, dass er verschwunden ist? Naja, nicht verschwunden, das wäre zu viel gesagt, - obwohl es doch leider für einige Briefkästen zutrifft. Denn einige Tage später, nachdem man die Sache wieder vergessen und seine Post schon zu einer mehr oder weniger nahe liegenden Poststelle gebracht hat, steht er da, der geliebte Briefkasten, wie aus dem Boden gestampft. Aber nicht mehr an der gleichen Stelle wie vorher, sondern nur ein paar Meter weiter, gerade so weit, dass man ihn von seinem alten Standort unmöglich hätte entdecken können, es sei denn man wäre auf eine Leiter oder einen Baum gestiegen. Aber lassen wir das! Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Deutsche Post tue das nur, um mit uns Versteck zu spielen oder uns zu ärgern. Aber weit gefehlt. Sie tut es auch nicht, um Kosten zu sparen, denn dann hätte sie die Briefkästen einfach stehen lassen. Auch nicht aus strategischen Gründen, etwa weil am neuen Standort mehr Menschen vorbeikommen. Denn man denke da nur an den Briefkasten am Bahnhof. Der steht jetzt kaum auffindbar weitab vom Schuss.
Vielleicht soll die Umsiedlung der Postkästen auf einen zweiten Blick so etwas wie ein Lehrstück abgeben, quasi ein »Denk-mal!«, das uns zu einem Perspektivwechsel anregt, wie er von den Meinungsmachern angemahnt wird, um liebgewonnene Gewohnheiten aufzugeben, etwa den Gang zum Briefkasten? Das könnte sein. Denn so gewänne man einen anderen Blick auf seine Umgebung.
Aber was nützt uns eine bloße Vermutung? Gehen wir der Sache doch auf den Grund. Da wäre zum Beispiel der Briefkasten an der Boppstraße, der vor nicht allzu langer Zeit ein paar Meter in Richtung Stadtmitte versetzt wurde. Er steht direkt vor einem kleinen Café, das früher einmal ein Teeladen war. Ein wunderbarer Ort, um Feldforschung zu betreiben. Nun, dort setzt man sich also hin, am besten auf die Terrasse, und wartet ab, was geschieht, natürlich den Briefkasten immer im Blick. Man kommt ins Gespräch, mit der Bedienung, mit dem Tischnachbar und der Tischnachbarin und alle reden überraschenderweise nur über eins, den Briefkasten, als ob es nichts Wichtigeres gäbe. Dass jetzt hier vielmehr los sei, seit er dastehe, erzählen sie und, was weitaus bedeutender ist und den Briefkasten zu einer Partnerschaftsanbahnungsstelle macht, dass sie dadurch ihre große Liebe gefunden hätten. Danke Deutsche Post!
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