Die Mainzer sind,
das muss man bei näherer Betrachtung immer wieder feststellen, nicht nur ein
äußerst feierlustiges, sondern auch ein ausgefuchstes Völkchen. Entgegen der
herkömmlichen Meinung, welche die Mainzer als provinziell oder gar rückständig
herabwürdigt, sind sie ihrer Zeit oft weit voraus. Der Fremde erkennt das nicht
auf den ersten Blick. Wie auch, wenn ihm der Sinn dafür abgeht? Er versteht
das nicht. Er kann damit nichts anfangen, zunächst nicht, - weil er allzu sehr in
der Gegenwart gefangen ist. Man denke etwa an die Mainzer Republik - das erste
auf bürgerlich-demokratischen Grundsätzen beruhende Staatswesen auf deutschem
Boden - und die Reaktion der Preußen und der hessischen Nachbarn darauf. Von so
prominenten Mainzern wie Rhabanus Maurus oder Johannes Gutenberg gar nicht zu
reden.
Aber man braucht gar nicht so weit zurückzugehen.
Wer sind denn die eigentlichen Vorreiter der Fast-Food- und Coffetogo-Kultur? -
Natürlich die Mainzer. Denn was ist die Mainzer Brezel, die man schon immer
gerne auf der Straße im Vorbeigehen verspeist, anderes als die Vorform des
Hot-Dogs und des Hamburgers.
Auch in der Architektur sind die Mainzer Pioniere.
Sinnfälliges Beispiel ist der Dom - und auch der Brand. Denn gerade der Brand
stellt in der Zeit seiner Errichtung in den frühen 1970er Jahren etwas völlig
Neues dar, das man erst seit einigen wenigen Jahren zu würdigen in der Lage
ist.
Ansonsten ist nach wie vor alles auf Einkauf und
Verkauf ausgerichtet. Hier wird nicht wie vielerorts gejoggt, geskatet, gewalkt
oder gebruncht. Auch Flash- und Smartmobs, bei denen sich viele Menschen zu
absonderlichen Kurzaktionen verabreden, finden hier nicht statt. Obwohl das
Brandzentrum außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten nahezu menschenleer ist,
dient es auch da nicht, wie man es bei niedrig frequentierten überdimensionierten
Zweckbauten vermuten könnte, als Übungsplatz für das so genannte Parcouring,
einer Sportart, bei der alle möglichen Hindernisse wie Bänke, Mülltonnen,
Mauern, Schluchten übersprungen oder überklettert werden. Hier findet man keine
Graffitis, keine Street-Art und kein Guerilla-Gardening, wo betonierte und
gepflasterte Straßenränder in kleine Blumenbeete verwandelt werden.