Jüngst wurde ich in einem Interview gefragt, was ich von der Frauenquote halte. Es ging um Frauenfeindlichkeit, die in meinem neuen Romanprojekt eine große Rolle spielt. Kalt erwischt, dachte ich, antwortete aber trotzdem, ohne zu überlegen und sehr überzeugt: »Die Frauenquote unterstütze ich natürlich vorbehaltlos.« In Wahrheit hatte ich mich mit diesem Thema zuvor noch nie beschäftigt, noch nicht einmal annäherungsweise. Ich hatte die Frauenquote einfach so hingenommen wie das Zähneputzen. Schließlich gehört sie zu meiner Sozialisation. Und wie es der Zufall so will – natürlich war es kein Zufall, sondern eine Form der selektiven Wahrnehmung –, stieß ich in der Folgezeit immer wieder darauf: Sei es, dass man sie gerade zum Einzug in den Mainzer Stadtvorstand bemüht, sei es, dass man damit den Unternehmen droht, den Frauenanteil in den Vorständen und Aufsichtsräten zu erhöhen... Die stärkste Unterstützung findet die Quote derzeit bei den Ökonomen, die die Frauen angesichts der niedrigen Geburtenrate als brachliegende wirtschaftliche Ressource betrachten. Und oh Wunder! Plötzlich heißt es im typischen Betriebswirtschaftsdeutsch: »Frauen bereichern das Management enorm. Sie bringen Komplementärkompetenzen mit ein, gehen an komplexe Aufgaben anders heran als Männer, finden andere oft nachhaltigere Lösungen, sie führen teilweise sogar besser als Männer, weil sie die höhere Sozialkompetenz mitbringen.« Kurzum: Die Wirtschaft könne es sich nicht leisten, auf weibliche Arbeitskräfte – ganz gleich auf welcher Ebene – zu verzichten.
Die Akzeptanz einiger weniger Wirtschaftsfachleute kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass kein anderes Thema ideologisch so aufgeladen ist und so heiß und kontrovers diskutiert wird wie die Quote. Befürworter und Gegner werfen sich oft genug einfach vor, dass es der jeweiligen Gegenpartei allein um Machterhaltung bzw. - eroberung geht. Die Auseinandersetzungen strotzen vor Vorurteilen und Generalisierungen. Warum eigentlich?
Wenn man es recht besieht, liegt der Frauenquote eine Art Verschwörungstheorie zugrunde, die besagt, dass mysteriöse Männerbünde oder ganz allgemein der Mann die Frau am Aufstieg hindere, dass er »gläserne Decken« in Karrierewege einbaue, und dass er sie in überkommene Rollenmuster zwänge. Demnach ist die Frau Opfer und der Mann Täter. Unzulässige Verallgemeinerungen, die jeglicher Erfahrung widersprechen. Dass es auch männliche Opfer gibt, dass eigentlich alle Menschen Produkte ihrer Sozialisation und der gesellschaftlichen Entwicklung sind, bleibt unerwähnt.
Es steht wohl außer Frage, dass Frauen in der Vergangenheit – milde ausgedrückt – nicht gleichberechtigt behandelt worden sind, und dass unsere Gesellschaft auch heute noch von dieser Ungleichbehandlung geprägt ist. Frauen erhalten noch immer für die gleiche Arbeit weniger Lohn als Männer. Sie sind auf Chefsesseln selten anzutreffen, gelangen nur schwer in Positionen mit Prestige und Einfluss, verlieren aber um so leichter ihren Arbeitsplatz.
Diese Benachteiligung passt schlecht zu der vom Grundgesetz verfügten Gleichberechtigung. Aber kann man sie durch Vorschriften wie die Frauenquote ergänzen, die die Bevorzugung von Frauen befiehlt, um deren bisherige Benachteiligungen auszugleichen? Bedeutet Quotierung denn nicht die Bevorzugung einer Gruppe zum Nachteil der anderen? Sie ist der Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und doch das Böse schafft, könnte man in Anlehnung an Goethes Faust sagen. Denn sobald eine Frau wegen ihres Geschlechts einem Mitbewerber vorgezogen wird, wird der Mann wegen seines Geschlechts diskriminiert. Es gibt keine Bevorzugung des einen ohne die Zurücksetzung des anderen.
Kein Wunder also, dass die Männer dies nicht klaglos hinnehmen und das Messer wetzen. Was man da nicht alles zu hören bekommt! Vereinfachungen und Unwahrheiten! So sei die Frauenquote schuld, dass Jungen in der Schule schlechter abschneiden als Mädchen und diese häufig ohne oder mit einem schlechten Abschluss verlassen, sie sei schuld an der höheren Selbstmordrate der Männer, ihrer kürzeren Lebenserwartung, ihrer schlechteren medizinischen Versorgung und ihrer Dominanz unter den Obdachlosen…
Letztendlich bin ich nach der Auseinandersetzung mit der Quote so schlau wie zuvor. Vielleicht ist dem Übel nicht anders beizukommen? Eins aber habe ich gelernt, Männlein und Weiblein sind sich nach jahrtausendelangem Zusammenleben immer noch fremd. Ob das auch für den Einzelnen gilt? Nach fünfzig Ehejahren? Herzlichen Glückwunsch Mama und Papa!
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