Die persönlich Wahrnehmung ist trügerisch. Leider wird sie allzu häufig für wahr gehalten und dazu benutzt, die Welt zu beurteilen. Was wiederum der persönlichen Bestätigung dient. Man kennt das von Wahlabenden, wo politische Niederlagen zu beachtlichen Erfolgen umgedeutet werden. Beinahe umgekehrt ist es in der Wirtschaft: Hier werden Erfolge oftmals kleingeredet oder gar als Niederlagen umgemünzt, um mögliche Gewinne bloß nicht mit anderen teilen zu müssen.
Aber davon soll hier nicht die Rede sein. Sprechen wir aus gegebenem Anlass über die Wahrnehmung des Herbstwetters. Das wird nämlich meist als besonders regnerisch wahrgenommen, obwohl es im Vergleich mit dem Sommerwetter als regenarm einzustufen ist. Warum ist das so? Sicher liegt das in der Natur des Herbstes selbst, den abnehmenden Tagen und den sinkenden Temperaturen. Im Herbst ist der Regen einfach unangenehmer und kälter als im Sommer. Außerdem verdunkelt er die Tage noch zusätzlich. Ein Regen um fünf und der Tag vorbei. Das schlägt aufs Gemüt.
Ein anderer aber nicht minderwertigerer Grund ist das plötzlich gehäufte Auftauchen von Regenschirmen. Das klingt jetzt komisch, aber wie bei so vielem, was komisch klingt, verbergen sich dahinter oft bittere Tragödien, die bleibende Eindrücke hinterlassen. Wie alle Dinge, die dem technischen Menschengeist entstammen, hat auch der Regenschirm zwei Seiten. Sein Vorteil liegt auf der Hand. Und sein Nachteil? Die meisten Regenschirmträger sind sich nicht bewusst, dass sich mit dem Regenschirm auch ihr Aktionsradius erheblich erweitert. Ihr Körpergefühl kommt dem nicht nach. So wird das transportable Regendach alsbald zur gefährlichen Waffe. Wer hat denn noch keine Regenschirmspeichen im Gesicht gehabt? Solange es regnet, beschränkt sich die Gefahr auf mögliche Kratz- oder Risswunden im Kopf- und Brustbereich. Gemeingefährlich aber wird es erst in einer Regenpause. Dann werden die Schirmträger nicht selten zu Lanzenreitern und Schwertträgern. Es zerreißt einem manchmal das Herz, wenn man sieht, wie viele Hieb- und Stichverletzungen sie mit ihren Regenschirmen verursachen. Besonders gefährlich wird es beim teleskopierbaren Taschenschirm und seiner Duomatik, mit der man per Knopfdruck schwalbenschnell den Schirm öffnet und auch wieder schließt. Das kann beim Nebenmann ins Auge gehen.
Angesichts dieser Gefährdungen ist man leicht geneigt, einen Regenführerschein zu fordern. Der hätte darüber hinaus noch den Vorteil, dass der Herbst nicht mehr mit Regen, sondern mit seinen goldenen Tagen und der Farbenvielfalt gleichgesetzt wird. Übrigens sollte das mit dem Führerschein auch für Rucksäcke gelten, aber das ist ein anderes Thema.
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